Dieses Wort steht symbolisch für eine ganze Zeitepoche in der deutschen Philosophie, bei der es um die Erforschung von Selbstständigkeit im Denken und Handeln ging. Hierzu ein Zitat von Immanuel Kant, dem „Vater“ der Aufklärung:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
zitiert nach: Immanuel Kant, Was ist Aufklärung? Ausgewählte kleiner Schriften, hrsg. von Horst D. Brandt. Hamburg 1999, 20-22.
Aufklärung ist also ein Wort, das die Fähigkeit beschreibt, selbstständig und unabhängig von der Meinung Anderer zu denken. Eine Eigenschaft, der in der damaligen Zeit große Bedeutung beigemessen wurde. Mit dem Verschwinden des Wortes in dieser Bedeutung scheint auch diese Eigenschaft immer weiter zu verschwinden.
Eigene Wahrnehmung und selbstständiges Denken sind rar geworden. Gleichzeitig brauchen wir Beides dringend, um uns durch den Dschungel der Meinungen und Informationen hindurchzufinden, die auf uns hernieder prasseln.
Wenn das gelingt, können wir aufatmen und auch den Anderen in Seinem So-Sein und Anders-Sein wieder wahrnehmen. Wir können einander unterschiedlich sein lassen im Denken, Wahrnehmen, Fühlen und Handeln.
Damit lernen wir aus jeder Begegnung Wesentliches für unser eigenes Sein und Leben. Das Leben wird wieder „Lebensschule“.
Dazu ein Gedicht, das ich selbst vor einigen Jahren geschrieben habe:
Es gibt nur eine Wahrheit!
Wie?
Sind denn alle Anderen un-wahr?
Wahr-nehmen
Das, was ich erlebe
Das Wahr-nehmen des Anderen
Für wahr nehmen
Vielleicht erschließt sich
Aus diesem Akt der
Liebe
Auch
Wahrheit
Auf – Klärung
Interessant ist auch, dieses Wort in seinen Bestandteilen „wahrzunehmen“.
Etwas geht „auf“, ich kann mich „erklären“ und ich kann Situationen „klären“, denn dadurch, dass ich frei bin in meinem Denken und Wahrnehmen kann ich das Denken und Wahrnehmen des Anderen ebenfalls „für wahr nehmen“. Echte Kommunikation und Aufklärung findet wieder statt.
Es wird Zeit, dieses wunderbare Wort in seiner ursprünglichen Bedeutung wieder auferstehen zu lassen!
Aufklärung – Freiheit und gleichzeitig unabhängige Bezogenheit auf den Anderen.
Für mich ist das der „Zustand von Liebe“